„Es scheint mir komisch, dass Bäume früh morgens am Wochenende in Fahrbahnen springen. Deshalb macht NRW jedes Jahr tausende Bäume platt, die unsere Straßen säumen und einen großen Teil des CO2 aufnehmen könnten, welches Autos ausstoßen.„
Jürgen Unger, Eichhorn Baumpflege
map topomatik:
Herr Unger, Sie sind Diplom-Ingenieur für Land-
schaftsarchitektur und Umweltplanung. Was
versteht man genau unter dieser Berufsbe-
zeichnung?
Jürgen Unger:
Das Studium zur Landschaftsarchitektur und Umweltplanung ist sehr vielfältig und umfassend. Zur Grundlage von Biologie und Botanik gesellen sich technische Bereiche, Bereiche aus dem Garten-, und Landschaftsbau, Planung, Kartierung und Entwicklung von Konzepten. Nach dem Studium besteht die Möglichkeit, sich in verschiedenen Bereichen zu spezialisieren.
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Wie sind Sie dann zu dem Beruf des Baumpflegers
gekommen?
Jürgen Unger:
Zur Baumpflege bin ich über einen Ferienjob in den Semesterferien gekommen. Zuerst habe ich im Gartenbau gearbeitet. Auf einer Baustelle in Herford habe ich das erste Mal Helmut Schwengels, mehrfacher Deutscher Meister und Europameister, klettern sehen und dort entstanden die ersten Berührungspunkte mit der Baumpflege. Als der Gartenbauer keine Arbeit mehr für mich hatte, habe ich als Bodenmann in der Baumpflege angefangen und nach einiger Zeit habe ich einfach nachgefragt, ob ich nicht auch einmal probieren könne, zu klettern. Damit war der Grundstein für meine Leidenschaft, den Baum, besiegelt.
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Der Zusammenhang zwischen Umweltschutz und
Baumpflege ist relativ ersichtlich. Aber wie könnte
man einen Zusammenhang zwischen Baumma-
nagement und Klimaschutz herstellen?
Jürgen Unger:
Ist der Zusammenhang wirklich so ersichtlich?
Mir scheint eher nicht. Unter dem Deckmantel
der Verkehrssicherheit wird geholzt und gefällt auf Teufel komm raus. Fällen ist mittlerweile so viel billiger als Erhalt. Und Maschinen zum Fällen werden an der Stange produziert. Wenn man sich durch die Sozialen Netzwerke quält, findet man fast nichts zum Baumerhalt, nur Hubschraubergepose, Kranfällungen, Kettensägenmassaker. Für mich ist der Zusammenhang zwischen Klimaschutz / Umweltschutz und Baummanagement deutlich ersichtlicher. Menschen, die sich verantwortungsvoll und ohne Angst dem Thema Baumkontrolle und dem nachfolgenden Management von Bäumen stellen und auch für Bäume kämpfen, die nicht dem Normmaß des geraden, strammen Baumes entsprechen, sondern die interessanten, alten Baumgestalten mit Mulmhöhlen, Faulstellen oder Schrägstand eine Chance einräumen tuen etwas für unsere Artenvielfalt und damit für Umwelt und Klimaschutz. Leider gibt es viel mehr Menschen, die von Angst getrieben werden und immer nur die Vollkatastrophe vor Augen haben, anstatt mal der Realität ins Auge zu schauen und festzustellen, dass nicht immer dort wo ein Ast abbricht, zwangsläufig auch ein Kinderwagen steht. Es passieren Unfälle und das ist tragisch. Aber es sterben 700-mal mehr Menschen im Strassenverkehr, hören wir auf, Auto zu fahren? Baummanagement muss auf jeden Fall auch den Bereich der Aufklärung bedienen, den Bürgern die Angst nehmen. Es gibt Kommunen, die gehen mit gutem Beispiel voran. Z.B. bezahlt die Stadt Ibbenbüren Ihren Bürgern, auf Antrag, eine Baumberatung für Ihr Grundstück. Hier kann ein Baummanager durchaus positiven Einfluss geltend machen. Bäume werden erhalten und das ist gut für unser Stadtklima.
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Es ist also auch die Politik gefordert?
Jürgen Unger:
Auf jeden Fall. Es gibt zum Beispiel Bestrebungen,
alle Straßenränder in einem weiten Bereich, von 8 Metern, baumfrei zu machen. Dann fallen weniger Kontrollkosten an und es geschehen weniger Unfälle bei denen Bäume involviert sind. Dies ist etwas, was ich nie verstanden habe. Es scheint mir komisch, dass Bäume früh morgens am Wochenende in Fahrbahnen springen. Deshalb macht NRW jedes Jahr tausende Bäume platt, die unsere Straßen säumen und einen großen Teil des CO2 aufnehmen könnten, welches Autos ausstoßen. Autobahnauffahrten werden baumfrei gestaltet und freigerodet damit die Auf,- und Abfahrenden mehr Blickfeld haben. Wo liegt da der Sinn? Man pflanzt Bäume, zieht sie groß, sie gliedern die Landschaft, veratmen das ausgestoßenen CO2 und sorgen dafür, dass wir langsamer fahren denn es ist unumstritten, dass der Autoverkehr einen großen Beitrag zu unserer negativen Klimabilanz schafft. Aber auffällig ist auch, dass sich viele aus der Rechnung herausziehen, so drückte es ein guter Freund Roland Schindler, Inhaber der Firma Baum & Seil einmal aus: „Bürger wollen vom Staat, dass er Klimaschutz betreibt, sehen sich aber selbst nicht in der Verantwortung. Ordnung muss sein und deshalb reiße ich den letzten Grashalm raus. Bäume machen Dreck, die gehören sowieso in den Wald.“ Die privaten Grünflächen veröden in einem rasanten Tempo, hier hilft nur Aufklärung und ein gesünderer Umgang mit der Natur.
map topomatik:
Wie können Ihrer Meinung nach Baumpfleger*innen zum Klimaschutz beitragen? Was müsste sich auch für die Baumpfleger*innen ändern?
Jürgen Unger:
Hier gibt es leider immer nur eine Antwort, wir müssen stärker die verschiedenen Disziplinen verknüpfen und vermehrt zusammenarbeiten. Sobald ein Bauvorhaben im Bereich von Bäumen angedacht wird, muss ein Baumsachverständiger in die Planung eingebunden werden. Hierdurch können langfristige Baumschäden und der Verlustvon Bäumen sowie Kosten minimiert werden. Wir müssen um jeden Bestandsbaum kämpfen, denn jeder gesunde Bestandsbaum bindet Wasser und sorgt für eine kühlende Umgebungstem-peratur, dies ist ein Zusammenhang in beide Richtungen. Fällen wir vermehrt Bäume, verlieren wir gebundenes Wasser und eine Verwüstung tritt ein, wir sind auf dem besten Weg dorthin. Umgekehrt gibt es den gleichen Effekt. Pflanzen wir Bäume, inden sie Wasser, senken die Umgebungstemperatur und ermöglichen ein entsprechendes Leben. Mensch benötigt nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen was einfacher ist und deutlich schneller geht.
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Es ist also auch die Politik gefordert?
Jürgen Unger:
Auf jeden Fall. Es gibt zum Beispiel Bestrebungen, alle Straßenränder in einem weiten Bereich, von 8 Metern, baumfrei zu machen. Dann fallen weniger Kontrollkosten an und es geschehen weniger Unfälle bei denen Bäume involviert sind. Dies ist etwas, was ich nie verstanden habe. Es scheint mir komisch, dass Bäume früh morgens am Wochenende in Fahrbahnen springen. Deshalb macht NRW jedes Jahr tausende Bäume platt, die unsere Straßen säumen und einen großen Teil des CO2 aufnehmen könnten, welches Autos ausstoßen. Autobahnauffahrten werden baumfrei gestaltet und freigerodet damit die Auf,- und Abfahrenden mehr Blickfeld haben. Wo liegt da der Sinn? Man pflanzt Bäume, zieht sie groß, sie gliedern die Landschaft, veratmen das ausgestoßenen CO2 und sorgen dafür, dass wir langsamer fahren denn es ist unumstritten, dass der Autoverkehr einen großen Beitrag zu unserer negativen Klimabilanz schafft. Aber auffällig ist auch, dass sich viele aus der Rechnung herausziehen, so drückte es ein guter Freund Roland Schindler, Inhaber der Firma Baum & Seil einmal aus: „Bürger wollen vom Staat, dass er Klimaschutz betreibt, sehen sich aber selbst nicht in der Verantwortung. Ordnung muss sein und deshalb reiße ich den letzten Grashalm raus. Bäume machen Dreck, die gehören sowieso in den Wald.“ Die privaten Grünflächen veröden in einem rasanten Tempo, hier hilft nur Aufklärung und ein gesünderer Umgang mit der Natur.
map topomatik:
Wie können Ihrer Meinung nach Baumpfleger*innen
zum Klimaschutz beitragen? Was müsste sich auch
für die Baumpfleger*innen ändern?
Jürgen Unger:
Viele Baumpfleger, die ich kenne, hier besonders die Szene der kletternden Baumpfleger, setzen sich schon intensiv mit dem Thema auseinander. Im Bereich der Baumpflege gibt es sehr viele Menschen, die sehr bewusst leben, z.B., als Vegetarier oder Veganer, dies ist schon ein großer Schritt zum Klimaschutz. Auch das Anhäufen von überflüssigen Konsumgütern und Statussymbolen ist bei den wenigsten ein Ziel. Hinzu kommt die Arbeit des Baumerhalts, soweit es Ihnen möglich ist.
map topomatik:
Sie sagten vorhin, dass sich die verschiedenen Disziplinen stärker verknüpfen und vermehrt zusammenarbeiten müssten. Kann in diesem Zusammenhang auch die Digitalisierung helfen, indem man zum Beispiel neue Anforderungen an Baummanagementsysteme stellt?
Jürgen Unger:
Es gibt hier sicher einen Weg. Ich kann mir gut vorstellen das eine Verknüpfung aller digitalen Baumkontrollergebnisse eine optimale Plattform ist für zukünftige Planungen von Arten/Sortenauswahl oder Standortoptimierung. Mein Metier sind Bäume und Baumerhalt, ich habe eine begrenzte Phantasie, was Rechner leisten können, bin aber fasziniert von der Entwicklung, die hier stattfindet. Verknüpfungen von Daten sollte technisch kein Problem sein und damit auch nicht die Auswertung derselben, das würde uns in Zukunft sicher vieles erleichtern, so wir wollen. Wir müssen in Zukunft weg von starren Ideen, was Baumauswahl und Standorte angeht. Vielleicht auch komplett überdenken, wo wir Bäume benötigen und in welcher Form. Europäische Nachbarn machen es vor, in Form von platzsparenden Formgehölzen, Spalierbäumen oder Dachformen. Aber zurück zur Frage, ja, die Digitalisierung kann helfen, wenn wir es schaffen, einen auswertbaren Fragebogen zu erstellen der Planer, Eigentümer, Städteplaner und Baummenschen unter einen Hut bringt.
map topomatik:
map topomatik unterstützt seit Jahren offene standardisierte Formate, die einen absprachelosen Datenaustausch aller beteiligten Dienstleister ermöglichen. Und wir möchten Sie auch weiterhin in dieser Form unterstützen.
Wir danken Ihnen für dieses sehr spannende und interessante Gespräch!